http://www.rootcauses.de/publ/icissumm.htm
Zusammenfassung
"Dieser Bericht handelt vom sogenannten "Recht zur humanitären Intervention": der Frage, wann - wenn
überhaupt - es für Staaten angemessen ist, Zwangs- und insbesondere militärische Maßnahmen gegen einen
anderen Staat zu ergreifen, um gefährdete Menschen in diesem anderen Staat zu schützen."
So beginnt der Bericht der "International Commission on Intervention and State Sovereignty"
(Internationale Kommission zu Intervention und staatlicher Souveränität - ICISS). Wenige Zeilen später
folgt ein Zitat von Kofi Annan, der bei der UN-Vollversammlung 1999 und erneut 2000 (im Gefolge des Kosovo-Konfliktes
und des nachfolgenden NATO-Krieges gegen Jugoslawien) an die internationale Gemeinschaft appeliert hatte:
"... wenn humanitäre Intervention tatsächlich einen inakzeptablen Anschlag auf das
Souveränitätsprinzip darstellt, wie sollen wir dann auf ein Ruanda, auf ein Srebrenica reagieren -
auf schwere und systematische Menschenrechtsverletzungen, die jegliches Prinzip unserer gemeinsamen Menschlichkeit
tangieren?"
Die kanadische Regierung nahm daraufhin, unterstützt von mehreren großen Stiftungen, diesen Annan-Appell zum Anlaß, die Bildung einer internationalen Kommission anzukündigen, die sich des Problems annehmen sollte. Zum Co-Vorsitzenden wurde, neben einem algerischen Top-Diplomaten, der Australier Gareth Evans ernannt, ehemals Außenminister und Mit-Initiator der "Canberra Commssion"; zu Mitgliedern u.a. ein früheres US-Geheimdienstausschuss-Mitglied und ein ehemaliger NATO-Spitzengeneral, aber auch Dritte-Welt-Größen einschließlich eines früheren ANC-Funktionärs.
Das Ergebnis ihrer Arbeit veröffentlichte die Kommission kurz nach dem 11. September 2001 unter dem Titel:
"THE RESPONSIBILITY TO PROTECT" ("Die Verantwortung zu beschützen"). Der etwa 100-seitige
Bericht ist gut lesbar und in 8 Kapitel gegliedert:
Zu Aufgabenstellung und Zusammensetzung der Kommission
"Ihr Titel beschreibt wirklich das, worüber ich gesprochen hatte: Die Tatsache, dass Souveränität
nicht nur Macht bedeutet, sondern ebenso auch Verantwortlichkeiten, und dass unter diesen Verantwortlichkeiten
keine wichtiger ist als der Schutz der Bürger vor Gewalt und Krieg."1
Mit diesen Worten kommentierte Kofi Annan den im Herbst 2001 (kurz nach dem 11.September) unter dem Titel
"The Responsibility to Protect" ("Die Verantwortung zu beschützen") erschienenen
ICISS-Bericht.2
Die Geschichte der ICISS begann auf der sogenannten Millennium-Vollversammlung der Vereinten Nationen im September
2000. Dort kündigte der kanadische Premierminister Jean Crétien die Gründung einer internationalen
Arbeitsgruppe an, die sich mit dem Dilemma zwischen humanitär motivierten Militärinterventionen und
staatlicher Souveränität befassen und einen mit dem Völkerrecht kompatiblen Umgang damit erarbeiten
sollte.
Angeregt worden war die Debatte von dem UN-Generalsekretär Kofi Annan, der bereits 1999 die Frage aufgeworfen
hatte, ob es nicht einen neuen Konsens darüber geben müsste, wie die Staatengemeinschaft mit massiven
Menschenrechtsverletzungen in Zukunft umgehen wolle. Konkreter Anlass war der gerade beendete Krieg der NATO gegen
Jugoslawien, der mit der jugoslawischen Regierung angelasteten Menschenrechtsverletzungen und "ethnischen
Säuberungen&qout; im Kosovo begründet und gegen geltendes Völkerrecht begonnen worden war. Hintergrund
war aber vor allem der Völkermord in Ruanda, der 1994 praktisch unter den Augen des UN-Sicherheitsrates
geschehen war, weil dieser sich nicht auf ein gemeinsames Vorgehen hatte einigen können und das von vielen
Seiten geforderte militärische Eingreifen somit nicht zustande kam.3
Nachdem die ICISS am 14. September 2000 gegründet worden war, sollte sie innerhalb eines Jahres einen Bericht
über das Ergebnis ihrer Arbeit vorlegen.
Die 12 Mitglieder der Kommission wurden von der kanadischen Regierung ausgewählt. Es sollten vor allem
Experten in internationalen Beziehungen und Repräsentanten internationaler Vereinigungen sein. Im einzelnen:
Der Ansatz der Kommission (Kap. 2)
"The Responsibility to Protect" ist der Versuch, ein bisher im Völkerrecht nicht existierendes
"Recht zur humanitären Intervention" zu etablieren: Ein Recht, ja sogar eine Verpflichtung, das
völkerrechtliche Kernprinzip der staatlichen Souveränität - unter ganz bestimmten Bedingungen -
auszusetzen, um die Grenzen von Staaten übertreten und militärisch auf ihrem Territorium und auch gegen
ihre Regierung intervenieren zu können. Erreicht werden soll dies mit Hilfe einer Umdefinition des Begriffes
der nationalen Souveränität, zB. mittels mehrheitlich beschlossener Resolution durch die UN-Vollversammlung
(s. Schluß-Abschnitt: Der Weg zur Implementierung des ICISS-Ansatzes).
Zentrales Argument des ICISS-Ansatzes ist die schon im Titel formulierte und immer wieder im Mittelpunkt aller
Überlegungen des Berichtes stehende "Verantwortung zu beschützen" - also die Verantwortung
eines Staates für Schutz und Wohlergehen seiner Bevölkerung. Diese Verantwortung resultiere, so die
Kommission, direkt aus der Existenz der staatlichen Souveränität, und sie liege folglich auch in erster
Linie bei dem Staat, in dessen souveränen Staatsgebiet die jeweilige Bevölkerung lebt.
Für den Fall aber, dass die Bevölkerung eines Landes einem großen Leid ausgesetzt ist, sei es als Resultat
eines internen Krieges, eines Aufstandes, Unterdrückung oder des "Versagen des Staates"
7 in seiner ebenfalls postulierten Versorgungsfunktion, und dieser Staat
gleichzeitig unwillig oder nicht in der Lage ist, dieses Leid zu beenden, ist die internationale Staatengemeinschaft
gefragt.
Das Prinzip der staatlichen Souveränit&aul;t und der damit verbundenen Garantie der Unverletzlichkeit des
staatlichen Territoriums weicht nach den Vorstellungen der Kommission dieser Verantwortung.
Wobei diese im Wesentlichen aus drei Teilverantwortlichkeiten besteht, aus denen sich dann auch die konkreten
Handlungsschritte ableiten lassen:
1. Die Verantwortung zu Verhüten (Responsibility to Prevent, Kap. 3)
"The need to do much better on prevention, and to exhaust prevention options before rushing to embrace
intervention, were constantly recurring themes in our worldwide consultations, and ones which we wholeheartly
endorse."8
Diese erste Verantwortung zielt auf die Gründe und Ursachen von länderinternen Konflikten und anderen
von Menschen ausgelösten Krisen oder die Auswirkungen von Katastrophen, die die Existenz und das
Wohlergehen der Bevölkerung gefährden. Auch diese Verantwortung liegt zuerst in den Händen
der souveränen Staaten.
Die Basis der Konfliktprävention bildet nach Auffassung der Kommission dabei die Chancengleichheit für
alle Einwohner, die Zurechnungsfähigkeit staatlichen Handelns und die Gewährung der Menschenrechte.
Auch die Förderung von sozialem und ökonomischem Fortschritt und die gleiche Verteilung von Ressourcen
gelten als Schlüssel für eine erfolgreiche Konfliktprävention.
Von der Kommission wird auch bemerkt, dass eine effektive Prävention von Konflikten ohne internationale
Unterstützung nicht möglich sein kann. Als besonderes Problem dabei wird die ökonomische Situation
vieler Staaten gesehen, die während des Kalten Krieges entstanden sei: Die Verschuldung habe hohe
Belastungen auf die Staaten geladen und gravierende soziale Unterschiede innerhalb der Staaten sowie die daraus
resultierende Unfähigkeit der Staaten, eigene Ressourcen zu mobilisieren, entstehen lassen.
Auch auf die Ungleichbehandlung von Staaten im internationalen Handel und die ungebrochene Vormachtsstellung der
Industrienationen wird als Problem beschrieben: "The Trade policies applied by many richer industrialized
countries unfairly disadvantaging or restricting access to markets, together with the terms of trade being
experienced by many developing countries, have not made any easier the reduction of that dept burden, or the
capacity to meet the social and economic developement needs of their populations."
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Als besonders wichtiges Element der Prävention wird die Früherkennung von Konflikten angesehen. Dabei
wird hervorgehoben, dass in einer ersten Phase besonders NGOs wie Amnesty International, Human Rights Watch oder
die International Crisis Group ihre Aktivitäten dahingehend ausweiten sollten, dass sie frühzeitig
vor entstehenden Konflikten warnen. Die nötigen logistischen und analytischen Fähigkeiten innerhalb
der UN seien momentan nicht vorhanden und könnten wohl auch in der nächsten Zeit nicht geschaffen werden,
so dass das Gewicht auch in näherer Zukunft auf den NGOs liegen müsse. Ein eigener Informationsdienst,
der direkt an den Generalsekretär berichtet, soll aber angestrebt werden.
Die konkreten Maßnahmen, die jeweils ergriffen werden sollten, unterteilt die Kommission in zwei Typen:
Die Notwendigkeit der Bekämpfung der tieferen und längerfristigen Ursachen von Konflikten (Root Causes)
begründet die Kommission mit Artikel 55 der UN-Charta, der u.a. die Lösung von wirtschaftlichen, sozialen
und Gesundheitsproblemen ausdrücklich anmahnt: "… explicitly recognizes that solutions to international
ecomomic, social, health and related problems; international, cultural and educational cooperation; and universal
respect for human rights are all essential for 'the creation of conditions of stability and well-being which are
necessary for peaceful and friendly relations among nations'."11
Aufgabe der Vereinten Nationen ist demnach primär, stabile Verhältnisse zu schaffen, die als Grundlage
für das friedliche Zusammenleben von Nationen gesehen werden. Armut, Repression und ungleiche Verteilung von
Ressourcen würden allgemein zunehmend als Ursachen anerkannt, ohne deren Berücksichtigung die Entstehung
bewaffneter Konflikte nicht verstanden werden könne: "There is a growing and widespread recognition
that armed conflicts cannot be understood without reference to such 'root' causes as poverty, political repression,
and uneven distribution of resources."12
Als konkrete Handlungsdimensionen, die sich aus diesen Grundbedingungen ableiten lassen, nennt die Kommission
folgende Kernpunkte zur Vermeidung von Konflikten:
Die Maßnahmen zur direkten und akuten Kriegsverhütung (Direct Prevention Efforts) beinhalten die gleichen Dimensionen wie die Root Causes Prevention Efforts, sie unterscheiden sich allerdings in der Wahl der Mittel und ihrer schnelleren Verfügbarkeit sowie der angestrebt kürzeren Laufzeit:
2. Die Verantwortung zu reagieren (Responsibility to React, Kap. 4)
"When preventive measures fail to resolve or contain the situation and when a state is unwilling to
redress the situation, then interventionary measures by other members of the broader community of states may be
required. These coercive measures may include political, economic or judical measures, and in extreme cases -
but only extreme cases - they may also include military action."
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Die Kommission stellt in ihren Überlegungen der Souveränität der Staaten die universelle und vor
allem auch individuelle Geltung der Menschenrechte gegenüber und kommt zu dem Schluss, dass die staatliche
Souveränität vor allem die Sicherung der individuellen Menschenrechte zum Ziel hat - der sie somit
letztlich Vorrang vor der staatlichen Souveränität gibt. Woraus für die Kommission folgt, dass,
wenn schwere Menschenrechtsverletzungen in einem Staat begangen werden, die Souveränität ihren Zweck
nicht mehr erfüllt und somit dem Staat nicht mehr zusteht. Die im Bericht postulierte Verantwortung zum
Schutz der Bevölkerung geht dann auf die internationale Staatengemeinschaft über.
Präferenz: nicht-militärische Reaktionen
Die Reaktion der Staatengemeinschaft soll sich dabei an den Bedürfnisse der Menschen orientieren, die in
Not sind. Auch die Wahl der zu treffenden Mittel ist daran zu orientieren. Folglich soll oberstes Ziel immer
die Vermeidung von Interventionen sein - davon ausgehend, dass Interventionen immer auch ein Unheil für
die Bevölkerung darstellen. Das Selbstbestimmungsrecht der Staaten als "hohes Gut" soll nur in
Ausnahmefällen außer Kraft gesetzt werden.
Als Möglichkeiten für Reaktionen auf einer niederen Stufe, die immer an erster Stelle stehen sollen,
werden verschiedene Arten von Sanktionen genannt. Im einzelnen sind das, getrennt nach möglichen
Eingriffsbereichen:
"Last Resort": militärische Intervention
Die Entscheidung, in einen souveränen Staat mit militärischen Mitteln zu intervenieren, darf nach der Auffassung der Kommission nur in "extreme and exceptional cases" 17 erfolgen, da damit ja zweifellos das in der UN Charta stehende Selbstbestimmungsrecht der Nation außer Kraft gesetzt wird. Die Wichtigkeit dieser bestehende Souveränität als Schutz vor Übergriffen aufgrund von ethnischen, kulturellen oder politischen Gründen wird von der Kommission zwar benannt, aber hinter die neue Verantwortung zum Schutz der individuellen Menschenrechte in definierten Situationen zurückgestellt:a. Das sogenannte "Schwellenkriterium": Der "gerechte Grund"" (Just Cause)
Als wichtigstes und daher "Schwellenkriterium" (Threshold Criteria) für eine
Militärintervention wird ein "gerechter Grund" gefordert. Dieser sei aber nur bei zwei Sorten von
Ereignissen erfüllt:
"In the Commission's view, military intervention for human protection purposes is justified in two
broad sets of circumstances, namely in order to halt or avert:
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Eine militäische Intervention darf also nur stattfinden,
Die Belege für eine eingetretene Situation, die ein Eingreifen rechtfertigt, sollten am besten von einer unabhängigen, nichtstaatlichen Quelle kommen. Ein Kandidat dafür wäre das ICRC (Internationales Komitee vom Roten Kreuz) - das sich aber bereits explizit geweigert hat, eine solche Aufgabe zu übernehmen, da dies schwere Auswirkungen auf seine Rolle als anerkannt neutrale Hilfsorganisation hätte. Die Beschaffung von Informationen ist laut ICISS schwierig, daher müsse im Notfall auf Berichte nicht nur von UN-Gremien, sondern vor allem auch von NGOs zurückgegriffen werden.
Keine Gründe für Militärinterventionen sind der Kommission zufolge Vorfälle, die dieses Ausmaß nicht annehmen, wie beispielsweise rassistische Diskriminierung, systematische Verhaftungen oder die Unterdrückung politischer Opposition. Dies kann zwar Sanktionen nach sich ziehen, rechtfertigt aber keine militärische Intervention. Auch ein Militärputsch oder das Verlangen einer Bevölkerung nach demokratischen Reformen ist kein ausreichender Grund.
Ein anderer Fall ist der Einsatz militärischer Gewalt, um eigene Staatsbürger aus fremden Gebiet zu retten. Auch dies ist kein Grund für eine humanitäre Intervention, jedoch für die Kommission ein durch Artikel 51 der UN Charta gedecktes Recht. Gleiches gilt für den Einsatz militärischer Gewalt als Antwort auf terroristische Angriffe.
Es folgen vier weitere Kriterien, die erfüllt sein müssen. Zusammen sollen sie nach dem Willen der ICISS-Autoren die Fälle für den Einsatz militärischer Gewalt strikt eingrenzen:
b. Die "aufrichtige Absicht" (Right Intention):
"The primary purpose of the intervention must be to halt or avert human suffering."
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Die Veränderung von Grenzen, das Verlangen nach Selbstbestimmungsrecht einzelner Bevölkerungsteile,
oder ein angestrebter Regimewechsel können also keine zulässige Voraussetzung sein.
Um zu vermeiden, dass die Intervention als durch die Interessen eines anderen Landes geleitet angesehen wird,
sollten diese Interventionen möglichst multilateral beschlossen und von einer Koalition von mehreren
Ländern durchgeführt werden. Auch soll Rücksicht auf die öffentliche Meinung in den
betroffenen Regionen genommen werden, um eine solchen Eindruck möglichst zu vermeiden.
Der Bericht stellt aber auch fest, dass es durchaus sein kann, dass bei einer Intervention auch die Interessen
eines intervenierenden Staates berührt sind: "Apart from economic or strategic interests, that
self interest could, for example, take the understandable form of a concern to avoid refugee outflows, or a
haven for drug producers or terrorists, developing in one´s neighbourhood."
Als Problem werden diese Interessen freilich nicht gesehen, da beispielsweise das Vermeiden von
Flüchtlingsströmen oder von terroristischen Aktivitäten im Interesse aller Nationen sei.
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c. Der letzte Ausweg (Last Resort):
"Every diplomatic and non-military avenue for the prevention or peaceful resolution of the humanitarian
crisis must have been explored."22
Nur wenn die Verantwortung zum Verhüten des Konfliktes vollständig ausgeschöpft worden ist, kann
die Verantwortung zum Handeln greifen und eine Intervention rechtfertigen.
d. Verhältnismäßigkeit (Proportional Means):
"The scale, duration and intensity of the planned military intervention should be the minimum necessary
to secure the humanitarian objective in question."23
Dabei ist ein Hauptanliegen, dass die Auswirkungen einer Intervention auf das politische System des Staates
möglichst gering gehalten werden und lediglich in dem Maße beeinträchtigt werden, wie es das Erreichen
des Zieles notwendig macht. Die Maßgaben des humanitären Völkerrechts müssen dabei vollständig
eingehalten werden.
e. Angemessene Zukunftsperspektive (Reasonable Prospects):
"Military action can only be justified if it stands a reasonable chanche of success, that is, halting or
averting the atrocities or suffering that triggered the intervention in the first place. Military action is not
justified if actual protection cannot be achiewed, or if the consequences of embarking upon the intervention are
likely to be worse than if there is no action at all."24
Eine militärische Maßnahme setzt demnach voraus, dass sie eine hohe Aussicht auf Erfolg hat. Wenn diese
Erfolgsaussicht nicht mit einer gewissen Sicherheit gegeben ist, oder falls sogar die Gefahr besteht, dass sich
die Situation der Bevölkerung durch den Einsatz der Gewaltmittel noch verschlechtert, ist ein
Militäreinsatz ausgeschlossen.
3. Die Verantwortung zum Wiederaufbau (Responsibility to Rebuild, Kap. 5)
"The responsibility to protect implies the responsibility not just to prevent or to react, but to follow
through and rebuild."25
Der Verantwortung zum Handeln folgt die Verantwortung zum Wiederaufbau. Dies beinhaltet das
Zur-Verfügung-Stellen von aller möglichen Hilfe beim Wiederaufbau von zerstörter Infrastruktur und
bei der Versöhnung ehemals verfeindeter Gruppen. Die Verantwortung zum Schutz endet also nicht bei der
militärischen Intervention, sondern beinhaltet auch den Wiederaufbau, die Schaffung eines dauerhaften
Friedens und nachhaltiger Entwicklung, sowie die Etablierung der sogenannten "Good Gouvernance".
Als konkrete Maßnahmen werden das Rückgängigmachen von ethnischen Säuberungen, die Entwaffnung
und Wiedereingliederung von Kombattanten in die Zivilgesellschaft genannt.
Die Frage der Entscheidungsinstanz (The Question of Authority, Kap. 6)
In der UN-Charta sind die Bedingungen, unter denen Gewalt als Mittel autorisiert werden kann, geregelt. Dies
sind im Wesentlichen Artikel 42 und 51. Als einzige hierzu befugte Instanz wird der Weltsicherheitsrat genannt.
In Artikel 42 heißt es, der Sicherheitsrat "may take such action by air, sea or land forces as may be
nacessary to maintain or restore international peace and security". Er kann also den Einsatz
militärischer Gewalt erlauben, um den Frieden zu sichern oder Wiederherzustellen und Aggressionen, die
geeignet sind, den Weltfrieden zu stören, zu beenden.
Artikel 51 erlaubt den Einsatz militärischer Gewalt als "the inherit right of individual or
collective self-defence if an armed attack occurs against a Member of the UN": das sogenannte
Selbstverteidigungsrecht eines Souveränen Staates, wenn er angegriffen wird oder ein solcher Angriff
unmittelbar bevorsteht.
Auch die Kommission sieht auf internationaler Ebene kein besser geeignetes Organ als den Sicherheitsrat zur
Legalisierung von Interventionen. Es soll also versucht werden, vor jeder Intervention die Zustimmung des
Sicherheitsrates zu bekommen, und letzterer soll sich dann auch in angemessener Weise mit der Situation
auseinandersetzen und Lösungen suchen. Das heißt aber auch, dass, wenn der Sicherheitsrat sich nicht auf
Maßnahmen einigen kann, auch andere Staatenzusammenschlüsse oder sogar einzelne Staaten zu militärischen
Mitteln greifen können:
"In view of the Council´s past inability or unwillingness to fulfill the role expected of it, if the
Security Council expressly rejects a proposal for intervention where humanitarian or human rights issues are
significantly at stake, or the Council fails to deal with such a proposal within a reasonable time, it is difficult
to argue that alternative means of discharging the responsibility to protect can be entirely discounted."
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Die UN-Vollversammlung hätte, wenn sie Beschlüsse zu einem Eingreifen mit überwältigend
großer Mehrheit treffen würde, ebenfalls eine herausragende Legitimation. Regionale Organisationen könnten
eventuell sogar, wegen ihrer besseren Kenntnis des Kontextes oder der regionalen Besonderheiten, besser geeignet
sein, Interventionen in ihrem Namen durchzuführen. Die Nicht-Legitimation dieser Organisationen beantwortet
die Kommission mit der Frage, worin das größere Unrecht liege: im Übergehen des Sicherheitsrates oder
in seiner Untätigkeit bei schweren Menschenrechtsverletzungen:
"It is the real question in these circumstances were lies the most harm: in the damage to international
order if the Security Council is bypassed or in the damage to that order if human beings are slaughtered while
the Security Council stands by."27
Die operative Dimension (Kap. 7)
Hier finden sich - wieder gegliedert nach den zuvor definierten Stufen, beginnend mit der Verhütung, jedoch
mit überwiegendem Schwerpunkt auf dem Komplex der militärischen Intervention - etliche Details zur
Durchführung der zuvor reglementierten Handlungsoptionen, bis hin zum Übergangs auf eine zivile
Verwaltung. Auf diese operative Ebene soll hier nicht näher eingegangen werden.
Wichtig ist allerdings wieder das Schlußkapitel, in dem die Kommission Vorschläge zur völkerrechtlichen
Implementierung ihrer Forderungen macht:
Der Weg zur Implementierung des ICISS-Ansatzes (Kap. 8)
Im Schlusskapitel "The Responsibility to Protect - the Way Forward" wird überlegt, wie
die Hürde, die das in der UN-Charta niedergelegte Völkerrecht zum Schutz von Staaten gegen
gewaltsame Übergriffe errichtet hat, nach den Vorgaben des Berichts überwunden werden kann. Der
Bericht kehrt damit zu seinem Ausgangspunkt zurück: "... der Frage, ... Zwangs- und insbesondere
militärische Maßnahmen gegen einen anderen Staat Staat zu ergreifen, um gefährdete Menschen in diesem
anderen Staat zu schützen." Angesichts des in der UN-Charta zu dem o.g. Zweck unzweideutig
formulierten Prinzips der nationalen Souveränität - gültig gleichermaßen für alle Staaten,
ungeachtet ihrer Größe, ihres Reichtums oder ihrer Macht - freilich alles andere als ein Bagatellproblem.
Trotz aller ausführlich in sieben Kapiteln formulierten Begründungen und Bedingungen.
In diesem letzten Kapitel ist der Bericht weniger detailiert als in den vorangehenden, schlägt aber doch
einen sehr konkreten Mechanismus vor: Nachdem er den Begriff der staatlichen Souveränität dahingehend
uminterpretiert hat, daß er zwingend an die Einhaltung der von der Kommission definierten Verantwortung des
Staates geknüpft sei, seine Bürger zu beschützen ("The Responsibility to Protect"
- s. Kapitel 2), soll die völkerrechtliche Implementierung beispielsweise dadurch erreicht werden, dass die
UN-Vollversammlung dieser Definition per Resolution zustimmt.
Im Ergebnis würde diese "Neudefinition" faktisch eine substantielle Änderung des bisherigen
Vökerrechts bedeuten. Denn sein zentraler Schlüsselbegriff "staatliche Souveränität"
war dank seiner Eindeutigkeit bisher nie Gegenstand relevanter Auslegungsdebatten gewesen.
Diese Änderung über eine (die Bedeutung der Charta verändernde, aber selbst außerhalb der Charta
stehende) Resolution der UN-Vollversammlung zu erreichen wäre ein ausgesprochener Kunstgriff. Denn es
wäre natürlich wesentlich leichter, als die UN-Charta selbst anzutasten. Faktisch würde es sich
allerdings um eine tiefgreifende Änderung ihres Sinngehaltes handeln - mit möglichen Konsequenzen in
einer Dimension, die in der breiten Öffentlichkeit bisher noch nicht einmal ansatzweise diskutiert wurden.
Helge von Horn (Root Causes - Projektkoordinator)
Christoph Krämer (IPPNW Deutschland)
im März 2004
Kontakt: rootcauses@ippnw.de
(Eine offizielle deutsche Fassung des Reports liegt bislang nicht vor,
Übersetzungen der Zitate durch die Autoren dieser Übersicht).
Literatur:
Nach dieser Übersicht über den Inhalt des ICISS-Reports und seine Entstehung soll in Kürze an
gleicher Stelle eine politische Analyse und Bewertung des Berichts erscheinen - seiner Ziele, Implikationen
und zu erwartenden Folgen.
Fußnoten: